[Nasional-d] Presse zum Terror in Bali

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Mon Oct 14 15:12:03 2002


Presseauswahl zum Terror in Bali, 14. Oktober 2002

Tagesspiegel
Ein Traum explodiert
Im Sari Club in Kuta war es lauter als beim Ballermann auf Mallorca.
Seit Samstagnacht ist es still dort, den Sari Club gibt es nicht mehr.
Bisher galt Bali als friedliche Insel inmitten einer gefährlichen Welt.
Jetzt ist der internationale Terrorismus auch hier angekommen. 
Von Moritz Kleine-Brockhoff, Jakarta, und Julica Jungehülsing, 

Sydney
Im Vorgarten, direkt an der Straße, und weiter hinten an der Theke
stehen auch an diesem Samstagabend Hunderte. Es ist eine warme Nacht wie fast
immer hier in Kuta, Bali, Indonesien. 20 Grad. Die Männer und Frauen tragen
kurze Hosen oder Miniröcke, und vielleicht unterhalten sie sich über den
vergangenen Urlaubstag. Der Strand, an dem sie ihn verbracht haben, ist nur ein
paar Hundert Meter entfernt. Sie stehen Schulter an Schulter beisammen, wer auf
die Toilette will, muss sich durchkämpfen, sie schauen möglicherweise über die
Hecke den Hunderten Taxis auf der Legian-Straße nach, und sie loben ganz
bestimmt den billigen gebratenen Reis aus den Garküchen und Restaurants nebenan.
Und wenn wirklich alles so war wie immer, dann verabreden sie sich auch für die
Disco Double Six, wo viele von ihnen am frühen Morgen immer hingehen. Aber noch
sind sie hier im Sari Club, sie trinken, sie grölen. Es ist "lauter als beim
Ballermann auf Mallorca", sagt ein Deutscher, der noch vor zehn Tagen in Kuta
war.

Die meisten von ihnen sind jung und kommen aus Australien. In Kuta
sind Bier und Unterkunft billig, und es ist nur ein paar Flugstunden
entfernt. Sie treffen sich also im Sari Club wie jeden Abend, in der
großen Kneipe auf der rechten Seite der Einbahnstraße. Ins Double Six wird
keiner von ihnen mehr gehen, und auch nicht ins Padis auf der anderen
Straßenseite, wo Technomusik dröhnt und die Tanzfläche immer ab Mitternacht voll
ist. 

Jede Stunde eine neue Zahl

Denn gegen 23 Uhr gibt es zwei Explosionen, die erste vermutlich im
Padis, die zweite, lautere wohl kurz darauf im Sari Club. Mehr als 180
Menschen sterben nach dem gewaltigsten Anschlag in Indonesiens
Geschichte. Vom Padis sind nur Trümmer übrig, der Sari Club ist ein
Schutthaufen. Tags darauf werden nur wenige Augenzeugen hier sein,
fast jeder, der in der Nähe war, ist tot oder im Krankenhaus. Überall
verstreut werden die Schuhe der Flüchtenden liegen.
Unter den Überlebenden bricht Panik aus, viele Häuser brennen und
fallen in sich zusammen. Als die ersten Hilfskräfte kommen, sehen sie
Staub und Rauch. Und dazwischen zerfetzte Leichen, blutverschmierte
Körperteile und Verletzte, die nach Hilfe rufend auf der Straße liegen
oder orientierungslos umherirren. "Der Anblick der Toten und Verletzten, der
Gestank, die Schreie, das Knistern der Flammen, das Scheppern beim
Herunterfallen von Trümmern - es war fürchterlich", erzählt ein Tourist, der
unverletzt überlebte, weil er mehrere hundert Meter entfernt war, als
die Bombe explodierte. "Ich habe einen Mann gesehen, der am ganzen Körper blutig
war, und eine Frau, die mit brennender Kleidung umherrannte."

In Jakarta klingeln gegen 23 Uhr 30 die Telefone von Politikern,
Diplomaten und Journalisten. Aus dem Chaos in Kuta dringt eine
Nachricht zu ihnen, die die Dimension des Verbrechens noch nicht
erkennen lässt: "Sprengstoffanschlag auf Diskothek ,Padis', drei Tote",
heißt es. "Bali? Dort ist doch noch nie etwas passiert", sagen viele und
wundern sich. 

Dass eine Bombe hochgeht, ist nicht ungewöhnlich in Indonesien, auch
in den Gegenden, in denen kein Bürgerkrieg tobt, gab es in den
vergangenen drei Jahren Sprengstoffanschläge. Dabei starben 62
Menschen. Und 181 Sprengsätze fand und entschärfte die Polizei, bevor
sie explodierten. Meist geht es bei diesen Fällen um
Schutzgelderpressung.
Im Lauf der Nacht und am Morgen danach wird deutlich, dass der
Anschlag auf Bali alles in den Schatten stellt, was bislang in
Indonesien geschehen ist. Stündlich kommen neue Zahlen: 15, 45, 60, 120, 187
Tote und über 300 Verletzte - in den nächsten Tagen wird die Zahl wohl noch
größer werden, weil wahrscheinlich noch viele Menschen unter den Trümmern
liegen. Auf Bali pendeln stundenlang Krankenwagen und Privatautos zwischen den
medizinischen Einrichtungen der Insel, wo die Verletzten behandelt werden, so
gut es eben geht, und der Legian-Straße, wo es bis zum Morgengrauen brennt. Am
Flughafen treffen die ersten Touristen ein, die sofort nach Hause wollen.
Weil jetzt klar ist, wie gewaltig die Explosion war, sprechen immer mehr
Experten vom internationalen Terrorismus. Die relativ kleinen militanten
Gruppen, die in Indonesien operieren, könnten einen so großen Anschlag
nicht ohne Unterstützung anderer Organisationen aus dem Ausland
durchführen, sagen die meisten Kenner der Szene. Diskotheken sind in
der Vergangenheit oft angegriffen worden, weil es moslemische
Fundamentalisten stört, dass dort in der Regel Prostituierte arbeiten
und dass meist nicht nur Alkohol, sondern auch Drogen verkauft werden,
mancherorts vom Kellner. Aber die Schlägertrupps der FPI, der "Front zur
Verteidigung des Islam" prügeln für gewöhnlich nur und zerstören das Mobiliar.
Anfang des Jahres allerdings lagen in Jakarta einmal vor fünf Discos kleine
Sprengsätze, zwei explodierten, ein Mann wurde verletzt.
Der Anschlag von Bali spielt in einer anderen Liga, er ist der größte
seit dem 11. September 2001.

Am Nachmittag spricht Indonesiens Präsidentin Megawati Sukarnoputri
persönlich vor Journalisten. Das tut sie selten, weil sie nicht in die
vielen Fettnäpfe treten will, die es in ihrem Land gibt, in dem mehr Moslems
leben als in jeder anderen Nation der Welt. Fast alle sind moderat und tolerant,
aber sie tolerieren die Gewalt der wenigen militanten Gruppen.
Wer Fundamentalisten kritisiert, wird von islamischen Parteien als
unislamisch gebrandmarkt. Megawati hat das bisher vermieden. Sie und
ihre Regierung sagten monatelang, es gebe keine Beweise dafür, dass
Terroristen aus dem Ausland in Indonesien aktiv seien und mit lokalen
Gruppen zusammenarbeiteten.

Die US-Regierung indes überschüttete die Indonesier mit
Geheimdienstinformationen, die zwar nicht besagten, dass Touristen in
Gefahr seien oder auf Bali etwas zu befürchten sei, die aber deutlich
machten, dass Anschläge geplant seien. Megawatis Regierung wollte
davon wenig hören. Auch nach der Bombe von Bali wählt sie ihre Worte
vorsichtig: "Der Anschlag ist eine Warnung für uns. Terrorismus ist eine
reale Gefahr und eine potenzielle Bedrohung der nationalen Sicherheit."
Einer von den Reportern, die vor ihr sitzen, schüttelt den Kopf, während
sie vom Blatt liest - mehr als 180 Menschen sind tot, über 300 verletzt,
und die Präsidentin spricht von einer "Warnung" und von einer
"potenziellen Bedrohung".

Auch Deutsche sind unter den Opfern. Eine Frau, die auf Bali lebte, ist
tot, drei Verletzte liegen auf der Insel im Krankenhaus, drei sind in
australische Hospitäler geflogen worden, zehn Deutsche werden vermisst.
Außenminister Joschka Fischer sagt, auf "unnötige Reisen" nach Bali und Besuche
in dortigen "Unterhaltungslokalen" solle derzeit verzichtet werden. 

Die meisten ausländischen Opfer jedoch kommen aus Australien.
Mindestens sieben Australier wurden getötet und 113 verletzt. Der
australische Premierminister John Howard wird deshalb auch deutlicher
als Megawati. Einen "barbarischen Terror-Akt, der unser Land nachhaltig
schockieren wird" nannte Howard den Anschlag auf die Nachtclubs in
Kuta. "Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass Terrorismus
jederzeit jeden von uns und an jedem Ort der Welt treffen kann." Auch
auf der idyllischen Urlaubsinsel vor der eigenen Haustür.

Bali, die Insel, die für Australier ein Feierparadies ist, so wie für
Europäer Ibiza, galt bisher als sichere Urlaubsgegend. Drei Viertel der
Bali-Reisenden kommen aus Australien, 20000 hielten sich nach Schätzungen des
Außenministeriums zur Zeit des Anschlags auf der Insel auf. Darunter waren
mindestens fünf komplette Rugby- und Football-Teams, die in der vergangenen
Woche auf die Insel geflogen sind, um das Ende der Spielzeit zu feiern - die
beiden zerstörten Clubs Padis und Sari gehörten zu den Lieblingstreffpunkten der
Sportler.  

Der Indonesien-Experte Greg Fealy vermutet deshalb, dass der Anschlag
sich gezielt gegen Australien richtet: "Es ist schwer zu glauben, dass
diese Bomben nicht uns galten", sagt er in einer Nachrichtensendung am
Sonntagabend. Und dem australischen Premier Howard bietet das
Attentat eine traurige Gelegenheit, seine Unterstützung für die
Irak-Kriegspläne von US-Präsident George W. Bush zu verteidigen: "Dies
ist sicherlich nicht der Moment für hitzköpfige Reaktionen", sagt er,
"aber wir müssen einsehen, dass wir uns auch nicht in unserer Ecke verstecken
können und sagen: Das wird schon vorbeigehen." Auf den Flughäfen von Sydney und
Melbourne warten unterdessen die
Familien von Urlaubern zitternd vor Anspannung auf die Maschinen aus Bali, in
der Hoffnung, ihre Angehörigen seien an Bord. An den Abflugschaltern herrscht
Ratlosigkeit: Fliegen oder nicht? Mehr als 50 Passagiere einer Maschine der
indonesischen Fluggesellschaft Air Garuda entscheiden sich, ihre Bordkarten
nicht zu benutzen und lassen ihr bereits aufgegebenes Gepäck wieder zurückholen.

Es war eine Autobombe

Australiens Außenminister Alexander Downer warnt seine Landsleute
davor, in nächster Zeit nach Bali zu reisen. Doch das dürfte ohnehin
schwierig werden: Die australische Fluggesellschaft Qantas hat nämlich
sämtliche Flüge auf die Urlaubsinsel gestrichen, stellt aber zusätzliche
Maschinen bereit, um Australier so schnell wie möglich zurück nach
Darwin, Melbourne und Sydney zu fliegen. In Darwin, dem nördlichsten
Flughafen Australiens, machen sich unterdessen zwei
Royal-Australian-Airforce-Maschinen auf den Weg in die Inselhauptstadt Denpasar,
um die Versorgung der Verletzten in Kuta mit Ärzten und Medikamenten zu
unterstützen.

In der Legian-Straße qualmt es Sonntagnacht immer noch aus den
Trümmern. 17 Gebäude sind komplett zerstört, aus allen wurden Tote
geborgen. Der Sprengstoff sei in einem Auto gewesen, sagt die Polizei.
Das Fahrzeug ist zerfetzt. Dort wo es stand, vor dem Sari Club, ist ein
großes Loch im Asphalt.


Financial Times Deutschland, 14.10.2002
Anschlag bedroht politische Stabilität Indonesiens 
Von S. Donnan, Jakarta, W. Germund, Bangkok , M. Huband, London

Wenn man vergangene Woche einen gebildeten Indonesier gefragt hätte, ob
er die Gefahr eines größeren Terroranschlags in seiner Heimat befürchte,
hätte er vermutlich skeptisch den Kopf geschüttelt. Doch die über 200
Millionen Indonesier, die in ihrer Mehrheit eine tolerante, von
animistischen Traditionen geprägte Form des Islam praktizieren, sehen
ihr Land seit Sonntag mit neuen Augen.

Sicherheitsexperten befürchten, dass islamische Extremisten im größten
muslimischen Land der Welt eine neue Terrorfront aufmachen. "Die größte
Überraschung ist, dass es so lange gedauert hat, bis westliche
Interessen angegriffen wurden", sagt ein Sicherheitsexperte in der
Region. "Wir müssen mit weiteren Anschlägen rechnen. Es könnte sich
genauso entwickeln wie in Nahost." 
Politische Analysten sind zudem der Überzeugung, dass der Anschlag im
Ferienparadies Bali eine schwere Erschütterung für das politische System
darstellt und die Regierung von Präsidentin Megawati Sukarnoputri
möglicherweise vor ihre bisher größte Herausforderung stellt. "Das ist
eine große Sache, das ist sehr schlecht", sagt Joseph Kristiadi vom
Centre for Strategic and International Studies (CSIS) in der Hauptstadt
Jakarta. 
Zwar hat noch niemand die Verantwortung für das Attentat am Sonntag
übernommen. Doch einiges spricht dafür, dass das Terrornetzwerk al-Kaida
wenige Tage nachdem Aiman al-Sawahiri, Osama Bin Ladens engster
Mitarbeiter, per Tonband neue Anschläge gegen "Amerika und seine
Alliierten" angekündigt hatte, den Worten Taten folgen ließ. 

Amerikanische Befürchtungen 

Die US-Regierung ist seit längerem überzeugt, dass Abu Bakr Bashir,
Führer der Gruppe Jemaah Islamiya, mit der Unterstützung al-Kaidas die
Fäden eines Netzes in den Händen hält, das sich in den letzten Jahren
auf weite Teile Südostasiens ausgedehnt hat. 
Singapur und Malaysia halten seit Anfang des Jahres Dutzende von
Mitgliedern der Gruppe, die einen einheitlichen panislamischen Staat in
Südostasien verlangt, unter dem Verdacht fest, Anschläge gegen
US-Einrichtungen und die internationale Schifffahrt geplant zu haben.
Selbst im Süden Thailands, in dem eine kleine islamische Minderheit
lebt, soll Jemaah Islamiya mittlerweile aktiv sein. Bashir, der offen in
Solo auf der Insel Java lebt, leugnete am Sonntag jedoch gegenüber der
FT, dass er etwas mit dem Attentat auf Bali zu tun habe. Bisher hatte
auch die indonesische Regierung die terroristische Gefahr hartnäckig
abgestritten. Am Sonntag sagte Präsidentin Megawati aber zum ersten Mal:
"Diese Explosion ist eine Warnung, dass der Terrorismus eine reale
Gefahr für die Sicherheit Indonesiens ist." 

Seit der Asienkrise und dem Sturz von Diktator Suharto 1998 leidet
Indonesien unter politischer und wirtschaftlicher Instabilität. Mit drei
Präsidenten in nur fünf Jahren und Auslandsschulden in Höhe von 130 Mrd.
$ - fast so viel wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt - fürchten
Auslandsinvestoren ein Abrutschen in die Anarchie. Seit Monaten schon
laviert Präsidentin Megawati - die oft für ihren nachlässigen
Regierungsstil kritisiert wird - zwischen dem Druck der USA, mehr gegen
die Gefahr des Terrorismus zu tun, und den politischen Schwierigkeiten,
die damit selbst in einem moderaten muslimischen Land verbunden sind. 

Kein konsequenter Umgang mit Terrorgefahr 

Zwar ist für die Wahlen 2004 kein ernst zu nehmender Gegenkandidat in
Aussicht, doch schon vor dem Anschlag am Sonntag war die Popularität
Megawatis im Sinken begriffen. Nach Meinung von politischen Beobachtern
ist ihr inkonsequenter Umgang mit der Terrorgefahr auch auf
Fraktionskämpfe in ihrer eigenen Regierung zurückzuführen. "Sie muss
jetzt die Regierung konsolidieren. Aber das ist angesichts der
widerstreitenden Interessen schwer", sagt Kristiadi. 
Auch die Wirtschaft des Landes, die sich noch immer nicht von der
Asienkrise 1997 erholt hat, dürfte unter dem Anschlag am Sonntag leiden.
Die mehrheitlich von Hindus bewohnte Insel Bali ist mit ihrer Fülle von
Luxushotels und -anlagen der Hauptmotor in Indonesiens Tourismussektor.
"Ein Attentat auf Bali ist ein echter Schlag in den Unterleib. Es zielt
nicht nur auf die Touristen, sondern auf die gesamte indonesische
Wirtschaft", sagt Dewi Fortuna Anwar, eine bekannte politische
Kommentatorin. 

Diplomaten waren Sonntag der Auffassung, dass die Regierung nun endlich
gezwungen sein könnte, die terroristische Gefahr ernst zu nehmen: "Das
Problem ist bisher weitgehend geleugnet worden", sagt ein westlicher
Diplomat. Andere warnten jedoch, dass ein Schlag gegen die Terroristen
unerwünschte Nebenwirkungen haben könnte. "Die Gefahr besteht, dass die
Radikalen sich zusammenschließen und die Lage sich weiter
radikalisiert", sagt Sidney Jones von der International Crisis Group.

© 2002 Financial Times Deutschland
 (AP, dpa)

Freie Presse
Jemaah Islamiyah gilt als rätselhafte Gruppe
Terrortruppe soll El-Kaida-Kontakte haben

Nach den Bombenanschlägen auf Bali richtet sich die Aufmerksamkeit auf
die Jemaah Islamiyah, eine rätselhafte Extremistengruppe mit einem
schillernden Vordenker. Der australische Außenminister Alexander Downer
hält es für "denkbar", dass die indonesische Gruppierung hinter den
Attentaten steckt. Sie habe Verbindungen zur El Kaida des mutmaßlichen
Top-Terroristen Osama bin Laden. In der Öffentlichkeit tritt die Jemaah
Islamiyah allerdings nicht auf. Ihr mutmaßlicher Anführer Abubakar
Baasyir, ein bekennender Bin-Laden-Bewunderer, streitet sogar ab, dass
die Gruppe überhaupt existiert.

Die Regierungen in der Region sehen das anders. Für sie ist die Jemaah
Islamiyah eine radikale Organisation, die in den traditionell toleranten
moslemischen Ländern Südostasiens einen Gottesstaat errichten will, der
neben Indonesien noch Malaysia, Singapur, Brunei und die südlichen
Philippinen umfassen soll. Erst vor einer Woche hatte Downer auf einer
Regionalkonferenz in Malaysia gesagt, die Gruppe sei derzeit "die
Organisation, die uns am meisten beunruhigt". Singapur beschuldigt die
Jemaah Islamiyah der Vorbereitung mehrerer Anschläge auf westliche
Einrichtungen, 32 mutmaßliche Anhänger sitzen in Haft.
Baasyir lebt derzeit noch unbehelligt in Indonesien. Die Behörden hatten
Forderungen der Nachbarländer nach einer Festnahme des 64-jährigen
Religionsgelehrten stets mit der Begründung abgelehnt, es gebe keine
Beweise gegen ihn. Offiziell firmiert Baasyir als Vorsitzender des
Indonesischen Mudschahidin-Rats, einer Dachorganisation mehrerer
religiöser Gruppen, die für die Einführung des islamischen Rechts in
Indonesien eintreten.
Terrorismus-Vorwürfe bezeichnete Baasyir als "Lüge". Erst vor zwei
Wochen hatte er Klage gegen das US-Nachrichtenmagazin "Time"
eingereicht, das ihn unter Berufung auf CIA-Quellen als Chef der Jemaah
Islamiyah und als potenziellen Drahtzieher des moslemischen Extremismus
in Südostasien bezeichnet hatte.
Mit etwa 200 Millionen Einwohnern, von denen sich 85 Prozent zum Islam
bekennen, ist Indonesien das bevölkerungsreichste moslemische Land der
Erde. Die Insel Bali wird hauptsächlich von Hindus bewohnt.  © Copyright
von AFP.


Salzburger Nachrichten
Der Verdacht fällt auf El Kaidas Verbündete 
Doch die Regierung in Jakarta scheute sich bis jetzt, gegen die
Extremisten der Gruppe "Jemaat Islamiyah" vorzugehen 
WILLI GERMUND JAKARTA (SN). 

Nun spricht Indonesiens Staatspräsidentin Megawati

Sukarnoputri, die monatelang zum Thema islamischer Extremismus
geschwiegen hatte, plötzlich davon, dass die drei Attentate auf Bali
eine konzertierte Terroraktion gewesen seien. Die US-Regierung ist davon
überzeugt, dass Abu Bakar Bashir, Führer der radikalen Islamistengruppe
"Jemaat Islamiyah", in einem kleinen Dorf nahe der Stadt Yogdschakarta
mit der Unterstützung von El Kaida die Fäden für ein Netzwerk in den
Händen hält, das sich während der vergangenen Jahre über weite Teile
Südostasiens ausgedehnt hat.  Singapur und Malaysia haben seit Anfang
dieses Jahres Dutzende von Mitgliedern der Gruppe, die einen
einheitlichen panislamischen Staat in Südostasien verlangt, unter dem
Verdacht festgenommen, Anschläge gegen US-Einrichtungen und die
internationale Schifffahrt geplant zu haben. Selbst im Süden Thailands,
wo eine kleine islamische Minderheit lebt, soll "Jemaat Islamiyah"
mittlerweile aktiv sein.
Zwar gibt es in Indonesien noch andere Extremistengruppen, die in der
Vergangenheit mit gewaltsamen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht
haben. Doch die Serie von Bombenanschlägen auf Bali war so gut geplant
und von derart verheerender Wirkung, dass der Verdacht sofort auf El
Kaida und die Verbündeten von "Jemaat Islamiyah" in Indonesien fällt.
Deren Führer Bashir machte in der Vergangenheit keinen Hehl aus seinen
Ansichten. "Die USA sind der größte Feind des Islam", erklärte der
64-jährige Mullah im August. Osama Bin Laden betrachtet er als einen
"Helden".

Aber die USA sowie ihre wichtigsten regionalen Verbündeten Singapur und
Australien sind davon überzeugt, dass hinter der freundlichen Fassade
von Bashir mehr steckt. Abu Jibril, einer seiner Getreuen, sitzt auf den
Philippinen wegen Terroranschlägen in Haft. Sein Stellvertreter Ridfuan
Isamuddin alias Hambali, der direkte Verbindungen zu Osama Bin Ladens Gruppe El
Kaida unterhalten soll, ist auf einer der 13.000 Inseln Indonesiens
untergetaucht. Anfang September soll dann ein Mann namens Omar al Faruk,  der in
Indonesien festgenommen und von den USA nach Afghanistan gebracht wurde,
"ausgepackt" haben.

Laut seinen eigenen Aussagen hat Mullah Bashir direkte Kenntnisse über
die Terrorpläne von El Kaida in Südostasien. Das Geständnis rief die
indonesischen Militärs auf den Plan. "Es gibt eine Präsenz von
ausländischen Terroristen in unserem Land", erklärte ein Vertreter der
Streitkräfte. Zuvor hatte die Regierung monatelang gezögert und
behauptet, es gebe keine Beweise gegen "Jemaat Islamiyah".

ANALYSE 
Der Grund: Indonesien ist mit 210 Millionen Einwohnern das Land mit den
meisten muslimischen Menschen der Welt. Ausgerechnet Megawatis
Stellvertreter Hamzah Haz profilierte sich während der vergangenen
Monate immer wieder als Wortführer einer stärkeren Islamisierung des
Landes. "Jemaat Islamaiyah"-Chef Bashir spricht solchen Kräften aus der
Seele, wenn er öffentlich erklärt: "Die Regierung Indonesiens muss auf
die Mehrheit der Muslime hö-ren. Für uns ist die Scharia wichtiger als
alle anderen Fragen in Indonesien."
Jakarta blieb tatenlos, obwohl erst vorige Woche US-Botschafter Ralph
Boyce erneut bei der Regierung vorgesprochen hatte. Der Grund:
Washington habe Beweise, dass Bashir am 23. September in einen
fehlgeschlagenen Anschlag auf das Haus eines US-Entwicklungshelfers in
Jakarta verwickelt war. Eine Granate war in einem Fahrzeug explodiert
und hatte einen der Insassen getötet, einem anderen ein Bein abgerissen.
Die Anklagen von Boyce stellen eine bemerkenswerte Kehrtwende dar: Denn
Washington hatte zunächst behauptet, die Attacke habe sich nicht gegen
eine ihrer Einrichtungen gerichtet. 
© SN.

Hannoversche Allgemeine
Perfide Botschaft

Moritz Kleine-Brockhoff
Leitartikel zum Terror auf Bali
Mehr als 180 Menschen sind tot, grausam ermordet. Nach Fassungslosigkeit
und Trauer kommt schnell die Wut auf die Mörder.  Noch ist nicht
bekannt, wer die jungen Urlauber umgebracht hat. Aber das Spekulieren
fällt nicht schwer.
Es gibt viele Hinweise darauf, dass Al Qaida oder eine Organisation, die
mit Osama bin Ladens Terror-Netzwerk zusammenarbeitet oder zumindest
sympathisiert, diesen Anschlag verübt hat. Nur eine Gruppe, die sehr gut
organisiert ist, kann einen derartigen Anschlag ausführen.  Auf einer
Länge von mehreren hundert Metern sind alle Gebäude in der Legian-Straße
im Ort Kuta zerstört.

   Eine große Menge Sprengstoff, die indonesische Polizei spricht von
TNT,    musste beschafft, unbemerkt auf eine Insel geschifft oder geflogen und
dort zur Explosion gebracht werden. Das ist keine Arbeit, zu der Amateure in der
Lage wären. Dazu braucht man Geld, Wissen, Erfahrung und wahrscheinlich auch
lokale Kontakte. Keine der wenigen kleinen, militanten Moslemorganisationen
Indonesiens hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie fähig wäre, ein
Verbrechen dieser Größenordnung zu begehen. Vielleicht waren Indonesier
beteiligt, aber die Hintermänner sitzen höchstwahrscheinlich woanders.

Der neue Anschlag, einer der schlimmsten Terrorakte aller Zeiten, hat
weit reichende Konsequenzen. Er zeigt brutal, wie schwer der Kampf gegen
den internationalen Terrorismus ist. Die USA und andere Staaten
vermelden ständig Erfolge. Viele Menschen wurden verhaftet, viele Konten
gesperrt, die Geheimdienstarbeit soll effektiver geworden sein, hören
wir.
Ja, die USA haben vor wenigen Tagen noch vor Anschlägen in Südostasien
gewarnt. Indonesien stand dabei ganz oben auf der Liste.  Aber die Rede
war fast ausschließlich von US-Bürgern und US-Einrichtungen, die in
Gefahr seien. Die Geheimdienste haben anscheinend keinen Hinweis darauf
geben können, dass Touristen auf der Urlaubsinsel Bali Zielscheibe sein
könnten. Das zeigt, dass trotz der Anstrengungen des vergangenen Jahres
in vielen Ländern der Welt Terroristen immer noch unentdeckt planen
können.

Der Bali-Anschlag war leider gut geplant. Er fand in Indonesien statt,
weil dort jeder unentdeckt einreisen kann, der das tun will. Nach den
Anschlägen vom 11. September des vergangenen Jahres sind in vielen
Ländern Sicherheitsvorkehrungen und Einreisebestimmungen verstärkt
worden. Aber Indonesien kann seine Grenzen - vor allem die langen Küsten
der zahllosen Inseln - nicht lückenlos schützen. Der indonesische
Archipel umspannt ein Achtel der Erde. Nur ein paar Dutzend Schiffe der
Marine sind seetüchtig, für Reparaturen oder neue Boote hat der Staat
ganz einfach kein Geld.

Ohne Zweifel wollten die Täter möglichst viele Menschen töten. Ohne
Zweifel sollten dabei möglichst viele Opfer aus dem Westen kommen.  Wo
in Indonesien viele von ihnen anzutreffen sind, wussten die Terroristen
genau. Im Land gibt es keinen Ort, an dem mehr Westler beisammen sind,
als exakt an der Stelle, an der die Bombe hochging.

Nirgendwo in Indonesien halten sich mehr westliche Touristen auf als auf
Bali - die meisten in der langen Legian-Straße auf der Höhe des Ortes
Kuta. Die beiden Lokale, zwischen deren Eingängen der in einem Auto
untergebrachte Sprengsatz in die Luft ging, sind die größten in der
Straße. Zur Tatzeit, Sonnabend um 23 Uhr, sind sie brechend voll. Die
Mörder wussten genau Bescheid.

Über Australien, die Heimat der meisten Toten, wird international wenig
gesprochen. Dabei unterstützt gerade die Regierung von Ministerpräsident
John Howard die Politik von US-Präsident George W.  Bush so rigoros wie
sonst wohl nur der britische Premier Tony Blair. Als die USA Afghanistan
angriffen, waren dort sehr früh auch australische Spezialeinheiten im
Einsatz.

Es mag gut sein, dass die Terroristen genau aus diesem Grund eine
Diskothek aussuchten, die vorwiegend von Australiern besucht wurde -eben
um eine perfide Botschaft an den Westen zu senden: Bürger aus Staaten,
die die USA in ihrem Anti-Terror-Kampf unterstützen, sollen sich
nirgendwo auf der Welt mehr sicher fühlen. 

Damit scheinen auch jene Experten Recht zu bekommen, die inzwischen
warnen, dass es in der islamischen Welt keinen sicheren Ort mehr gibt. 
Zwar hat ausgerechnet Bali im islamischen Indonesien eine hinduistische
Bevölkerungsmehrheit. Aber auch das gehört wohl zum brutalen Kalkül
dieser Mörder.


Süddeutsche Zeitung
Die Inseln der Verdächtigen 
Anschläge rücken Indonesien ins Zentrum des Kampfs gegen den
internationalen Terrorismus 
Von Arne Perras 
Über den Grad der terroristischen Bedrohung, die von Indonesien für die
Welt ausgeht, war sich der Westen lange im Unklaren. Weil ein Großteil
der etwa 180 Millionen Muslime in diesem Staat stets eine tolerante Form
des Islam praktizierte und fundamentalistische Gruppen keine breite
Basis in der Bevölkerung fanden, argumentierten manche Beobachter, dass
der Nährboden für den internationalen Terrorismus dort eher begrenzt
sei. Andererseits gibt es in Indonesien seit längerem kleinere militante
Gruppen, die eine extreme Gewaltbereitschaft zeigen, und auch die
inner-indonesischen Spannungen erheblich verschärft haben. Ein Beispiel
dafür ist der Konflikt zwischen Muslimen und Christen auf den Molukken,
der vor allem deshalb eskalierte, weil fundamentalistische Kräfte
religiöse und soziale Spannungen nutzten, um daraus einen lokalen
Dschihad zu machen. 

Die verheerenden Anschläge auf Bali, die mehr als 180 Menschen in den
Tod rissen, haben Indonesien nun über Nacht ins Zentrum der
internationalen Anti-Terror-Ermittlungen katapultiert. Es gibt kaum
einen Zweifel, dass der Angriff auf zwei Diskotheken im Ferienzentrum
Kuta darauf zielte, möglichst viele ausländische Touristen zu töten.
Australiens Außenminister Alexander Downer deutete schon wenige Stunden
nach den Explosionen einen ersten Verdacht an. Die radikale
Moslemorganisation Jemaah Islamiyah mache "besonders große Sorgen",
sagte er. 

Auch Washington hat diese Gruppe offenbar als Hauptverdächtigen im
Visier. Ihr Führer ist der Islamist Abu Bakar Baasyir. Die Amerikaner
würden den Mann liebend gerne im Gefängnis sehen, doch bisher reichten
die Beweise nicht aus, um Baasyir zu verhaften.  Washington sieht in ihm
einen Statthalter von al-Qaida in Indonesien, was der Mann selbst heftig
zurückweist. Gleichzeitig macht er aber keinen Hehl daraus, das er die
US-Regierung hasst. 

Es gibt aber auch noch andere Islamisten-Gruppen in Indonesien, die in
Verdacht geraten. Da ist zum einen die Gruppe Laskar Dschihad, die durch
ihren Kampf gegen die Christen auf den Molukken berüchtigt geworden ist.
Ihr Anführer, Jafar Umar Thalib, sitzt wegen seiner Aktivitäten auf den
Molukken seit Mai im Gefängnis. Nach Einschätzung des
Indonesien-Experten Bernhard Dahm passen Diskotheken als Tatort gut in
das Feindbild von Laskar Dschihad oder auch einer anderen radikalen
Gruppe, der Front zur Verteidigung des Islam (FPI), die unter Führung
von Muhamed Rizieq Shihab steht. Beide Gruppierungen hätten sich dem
Kampf gegen westliche Vergnügungseinrichtungen wie Nachtclubs oder Bars
verschrieben, die sie als eine Beleidigung ihres Glaubens betrachten. In
der indonesischen Hauptstadt Jakarta ist es immer wieder zu Überfällen
auf Diskotheken gekommen, bei denen Frauen, vor allem Musliminnen
verprügelt oder ausgepeitscht wurden, weil sie sich auf diese Form
westlicher Unterhaltung eingelassen hatten. 

Andererseits spricht die Perfektion, mit der die Anschläge durchgeführt
wurden, eher gegen einen Drahtzieher aus diesen beiden Gruppen. Denn es
gilt als zweifelhaft, dass FPI oder Laskar Dschihad über die
logistischen und technischen Mittel verfügen, um einen Terroranschlag
dieser Größe auszuführen. Damit kommt wieder al-Qaida ins Spiel, und
deren mutmaßliche Verbindungsleute in Indonesien. Der US-Botschafter in
Jakarta verwies im Fernsehsender CNN darauf, dass es schon seit einiger
Zeit Hinweise auf Aktivitäten von al-Qaida in Indonesien gegeben habe.
Auch haben die USA schon seit längerem ihre Sicherheitsvorkehrungen für
US-Einrichtungen verstärkt. 

Angeblich steht die Gruppe Jemaah Islamiyah und ihr Führer Baasyir über
einen Mittelsmann namens Hambali mit dem Al-Qaida-Netzwerk von Osama bin
Laden in Verbindung, und das bereits seit dem Jahr 1995. Alle drei
radikalen Gruppen - Laskar Dschihad, Jemaah Islamyiah und die FPI - sind
von der indonesischen Führung in Jakarta bisher keineswegs geächtet
worden. Vor nicht allzu langer Zeit empfing der indonesische
Vize-Präsident und Führer der muslimischen Partei PPP, Hamzah Haz, noch
führende Mitglieder aus allen drei Organisationen.  Manche Beobachter
fragen sich deshalb, inwieweit die Führung in Jakarta die Gefahr
islamistischer Gruppen unterschätzt haben könnte. Die Amerikaner
scheinen ebenfalls ihre Zweifel an der Regierung zu haben. Sie bieten
den Indonesiern "jede mögliche Hilfe" bei der Aufklärung der
Terroranschläge an.


Taz: Hausgemachter Fundamentalismus
Die Ursachen für religiös inspirierte Gewalt in Indonesien
liegen in der jahrzehntelangen Unterdrückung. Die Anschläge dürften die
Regierung in Jakarta dazu nötigen, gegen radikale Islamisten vorzugehen

BERLIN taz  Indonesien ist in den vergangenen Jahren immer wieder von
Gewalt erschüttert worden. Die Ursachen waren oft sozialer Natur, sie
äußerten sich jedoch religiös verbrämt. Oder sie standen im Zusammenhang
mit Unabhängigkeitsbewegungen und deren Unterdrückung. Das mehrheitlich
hinduistische Bali blieb im Land mit der größten islamischen Bevölkerung
der Welt, dessen Hauptströmung ein toleranter und moderater Islam ist,
immer eine Oase des Friedens. Warnten ausländische Regierungen
gelegentlich vor Reisen nach Indonesien, so wurde Bali davon stets
ausgenommen. Da die Insel vom Tourismus lebt, ist es unwahrscheinlich,
dass die Täter von dort kamen und es sich etwa um "normale"
Schutzgelderpresser handelte.

Auffällig ist jetzt nicht nur die hohe Zahl westlicher Opfer,
sondern auch das Datum. Der 12. Oktober ist der zweite
     Jahrestag des Selbstmordanschlags auf den US-Zerstörer "USS
     Cole". Damals starben beim Zusammenstoß eines mit
Sprengstoff gefüllten Bootes im jemenitischen Hafen Aden 17 US-Soldaten.
Die USA machen dafür die al-Qaida von Ussama bin Laden verantwortlich.
Verbindungen von al-Qaida zu indonesischen Islamisten hat die Regierung
in Jakarta stets bestritten. In den letzten Wochen hat es jedoch ein
Umdenken gegeben. Ausschlaggebend war die Verhaftung des Kuwaiters Omar
al-Faruk in Indonesien Anfang Juni. Faruk galt als Einsatzchef al-Qaidas
in Südostasien und wurde kurz nach seiner Verhaftung den US-Behörden
übergeben. Die verhörten ihn laut dem US-Magazin Time wochenlang auf der
afghanischen US-Basis Bagram bei Kabul und brachten ihn durch
folterähnliche Methoden wie Schlaf- und Essensentzug dazu, dass er
Anfang September auspackte.

Faruks Aussagen führten nicht nur zur vorübergehenden Schließung der
US-Botschaft in Jakarta um den Jahrestag des 11. September und zur
Verhaftung des ägyptischstämmigen Deutschen Seyam R. in Jakarta am 18.
September, der Verbindungen zu al-Qaida haben soll. Faruk bezichtigte
laut Time auch den indonesischen Islamgelehrten Abu Bakar Bashir der
Verantwortung für Terroranschläge in Indonesien und behauptete, dessen
Organisation Dschamaat-i-Islami sei der indonesische Ableger von
al-Qaida. Australiens Außenminister Alexander Downer verdächtigte
Dschamaat-i-Islami gestern öffentlich des Anschlags auf Bali.

Laut Faruk stand Bashir bereits hinter dem Bombenanschlag auf eine
Moschee in Jakarta 1999, mit dem Muslime zum Angriff auf Christen
ermuntert werden sollten, und hinter Anschlägen auf Kirchen an
Weihnachten 2000, bei denen 18 Menschen starben.  Der 64-jährige Bashir,
der bei Solo auf Java eine Koranschule führt und dem radikalen Rat der
indonesischen Gotteskrieger (MMI) vorsteht, weist die Vorwürfe zurück.
Er macht zwar keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Bin Laden und
seinem Ziel, in Indonesien einen Gottesstaat zu errichten, was nicht
strafbar ist. Aber er habe weder jemals Faruk getroffen noch gebe es
eine Organisation namens Dschamaat-i-Islami.

Die Regierungen in Malaysia und Singapur machen Bashir schon länger für
geplante Terroranschläge verantwortlich und fordern von Indonesien, wo
er unbehelligt lebt, seine Auslieferung. Die US-Regierung will nach
Zeitungsberichten Dschamaat-i-Islami auf ihre Liste terroristischer
Organisationen setzen, doch wollte sie vorab der Regierung von Megawati
Sukarnoputri die Chance geben, selbst gegen Bashir und
Dschamaat-i-Islami vorzugehen.  Dazu wurde eigens eine hochkarätige
Emissärin von Washington nach Jakarta geschickt, die der Regierung
Material vorlegte.  Washington vermied öffentlichen Druck auf
Indonesiens Regierung, um diese gegenüber einer US-kritischen
Bevölkerungsmehrheit nicht als US-Marionette erscheinen zu lassen und um
die Widersprüche in der Regierung nicht zu verschärfen. Denn Megawatis
Stellvertreter Hamzah Haz ist selbst Islamist.

Die Anschläge dürften den Druck auf Megawati erhöhen, gegen
mutmaßliche Al-Quaida-Zellen vorzugehen, und damit Proteste
von Islamisten und Menschenrechtlern provozieren. In einem
Bericht über Dschamaat-i-Islami und mögliche Verbindungen zu
al-Qaida stellt die International Crisis Group fest, dass die
Gruppe, die nur als loses Netz beschrieben wird, erst durch die
Unterdrückung der Suharto-Diktatur an Stärke gewann und
heute viele repektierte Personen einschließt. SVEN HANSEN
taz Nr. 6877 vom 14.10.2002, Seite 4, 120 Zeilen (TAZ-Bericht), SVEN
HANSEN


Hamburger Morgenpost
Bombte El Kaida in
Bali?
Von Olaf Wunder

Indonesien galt als Rückzugsraum für die
Terroristen / Nun beginnt Kampf

Jakarta - Es gab immer wieder Hinweise. Doch die indonesische Regierung
beharrte darauf: Nein, das Land sei kein Rückzugsraum von El-Kaida-Terroristen. 
Die absolute Mehrheit der 200 Millionen Moslems in Indonesien sei friedlich - so
die offizielle Sprachregelung - und lehne Terror selbstverständlich ab. 

Richtig ist zwar, dass die überwiegende Zahl der Menschen im größten
moslemischen Staat der Welt eine äußerst moderate Form des Islam
praktiziert. Wahr ist aber auch, dass seit den 80er-Jahren der
Fundamentalismus langsam, aber sicher an Boden gewinnt. Nicht von
ungefähr kam es in den vergangenen Monaten in der indonesischen
Hauptstadt Jakarta regelmäßig zu anti-amerikanischen Protes-ten.
Mitglieder radikaler Gruppen zogen in ihrem selbst erklärten Kampf gegen
westliche Dekadenz durch Kneipen, um Kunden zu verprügeln oder das
Mobilar kurz und klein zu schlagen. Im September schloss die
US-Botschaft für eine Woche - aus Angst, zum Angriffsziel Radikaler zu
werden.

Indonesiens Nachbarländer fordern von Jakarta schon seit langem ein
härteres Vorgehen gegen Mitglieder der Gruppe Jemaah Islamiyah, die aus ganz
Südostasien einen einzigen gigantischen islamischen Gottesstaat machen will.

Singapur
behauptet, Hinweise dafür zu haben, dass Jemaah Islamiyah Teil des
Terrornetzwerkes El Kaida ist. Trotzdem nahmen die indonesischen
Behörden den mutmaßlichen Führer der Gruppe, Abu Bakar Baschir, bisher
nicht fest. Jakarta erklärte immer wieder, es lägen einfach nicht genug
Beweise gegen ihn vor. Beobachter sagen voraus, dass die indonesische
Regierung im Umgang mit den Islamisten nun eine Kursänderung vollziehen
wird. Das wird auch Zeit. Denn spätestens seit sechs Wochen weiß die
Regierung, dass Osama bin Ladens El Kaida im Land eine weit größere
Rolle spielt, als offiziell bisher eingestanden wurde. Denn Anfang
September wurde in Jakarta ein Araber festgenommen, der im Verdacht
steht, der Kopf der El Kaida in Südostasien gewesen zu sein.
Bemerkenswert an ihm: Er hat einen deutschen Pass. Der Verdächtigte
heißt Seyam R., ist 42 Jahre alt und mit einer Deutschen verheiratet.
R., der zuletzt im Badischen gemeldet war und sich zeitweise auch Hans
K. nannte, gab im Verhör an, als Fernsehjournalist tätig zu sein. In
Terroristenkreisen soll er den Kampfnamen "Abu Daud" führen. Was hat dieser Mann
in Indonesien geplant? 
Hat er auch die Anschläge von Bali vorbereitet?

Er selbst bestreitet, terroristische Absichten verfolgt zu haben. Einer
seiner ehemaligen Gefolgsleute dagegen hat dem CIA etwas ganz anderes
erzählt: Der kuwaitische Staatsbürger Omar el-Faruk, der sich in
amerikanischer Gefangenschaft befindet, gestand, er habe gemeinsam mit
Seyam R. Anschläge auf die indonesische Präsidentin Megawati
Sukarnoputri und auf zahlreiche westliche Botschaften in Jakarta, Kuala
Lumpur, Manila und Singapur geplant. 

Von Attentaten auf touristische Einrichtungen war dabei zwar nicht
ausdrücklich die Rede. Auf der anderen Seite: Der Touristenort Kuta
Beach, wo es beinahe so westlich und dekadent zugeht wie in Arenal auf
Mal-lorca, ist das perfekte Angriffsziel für jeden Terroristen, der die Absicht
hat, den Westen in seinem Mark zu treffen. Und viel einfacher auszuführen als
ein Anschlag auf eine Botschaft, ist solch ein Terrorakt ebenfalls.


Bieler Tagblatt
Bali: Einst Ort der Harmonie und des friedlichen Miteinanders
Die "Insel der Götter" verliert ihren Mythos Bali galt bisher als Ort
der Harmonie und des friedlichen Miteinanders verschiedener Religionen
und Kulturen.

Arne Perras
Ausgerechnet Bali. Lange Zeit hatte man geglaubt, dass diese Insel immun
bleiben könnte gegen den religiösen und ethnischen Hass, der das riesige
Inselarchipel Indonesien mit seinen mehr als 200 Millionen Einwohnern an vielen
Stellen immer wieder auseinander zu reissen droht. Im Norden Sumatras kämpfen
islamistische Rebellen noch immer gegen die Zentralmacht Jakartas, die den
Aufstand mit brutaler Militärmacht unterdrückt. Radikale Islamisten schüren auf
den Molukken und der Insel Sulawesi nach wie vor Spannungen zwischen Muslimen
und Christen, auch dort kommt es immer wieder zu blutigen Schlachten zwischen
den religiösen Gruppen. Und ganz im Westen, im indonesischen Teil der Insel
Neuguinea, verschärfte Jakarta durch eine Mischung aus wirtschaftlicher
Ausbeutung und kultureller Arroganz den Widerstand der einheimischen
Papua-Bevölkerung. 

Fragile Einheit
Die Konflikte wirken wie zentrifugale Kräfte und bedrohen noch immer die
fragile Einheit des Inselstaats. Angesichts dieser Turbulenzen blickten
viele staunend auf die Insel Bali, die durch ihre hinduistische Prägung
ohnehin eine Sonderstellung im überwiegend muslimischen Indonesien
einnimmt. 

Die so genannte "Insel der Götter" Bali war wie das Auge eines
Wirbelsturms, ein ruhender Pol, der kaum aus dem Gleichgewicht zu bringen war.
Spielend schien hier auch zu gelingen, was an vielen anderen Orten der Welt
kläglich gescheitert ist. Millionen Touristen strömten jedes Jahr ins Land, und
man durfte sich wundern, wie viel kulturelle Eigenständigkeit die balinesische
Gesellschaft trotz dieser gigantischen Invasion aus Australien, Amerika und
Europa noch bewahren konnte. So wurde der Mythos Bali geboren, und er hat sich
zunehmend verselbstständigt. Die Insel der Harmonie, ihre
Postkarten-Palmenstrände, die bunten Tempelfeste, Reisterrassen inmitten
kristallklarer Seen, all dies liess Bali als das perfekte Paradies erscheinen,
und die Zentralmacht in Jakarta tat, was sie konnte, dieses Image zu hüten und
zu pflegen. Denn keine andere Region spülte durch den Tourismus so viele Devisen
in das von Krisen geschüttelte Land. Das Bali-Image musste also schon aus
handfesten ökonomischen Interessen um jeden Preis aufrechterhalten werden.

Druck von Zuwanderern

Dies hat aber auch dazu geführt, dass man die Welt Balis zuweilen als
heiler verkaufte, als sie es gerade in den vergangenen Jahren
tatsächlich war. Denn bei aller integrativen Kraft der hinduistischen
Lebensart konnte sich die Insel keineswegs völlig abschotten von den
sozialen und religiösen Spannungen, die Indonesien an vielen Stellen
destabilisieren. Der Druck von Zuwanderern aus anderen Gegenden steigt
auch in Bali, und er stösst dort auf zunehmenden Widerstand, aller
gepriesenen Toleranz der Balinesen zum Trotz. Geredet wurde darüber
nicht gerne, weil Jakarta erhebliche Image-Kratzer für Bali befürchtete.
Dennoch ist Bali ein Sinnbild für kulturelle Toleranz und das friedliche
Nebeneinander von Kulturen geblieben. Noch sind die Hintergründe der
terroristischen Anschläge unklar. Der Tatort Bali hat in jedem Fall aber
grosse Symbolkraft. Er könnte ein Indiz für den Versuch sein, relativ intakte
Modelle toleranten Zusammenlebens zu zerstören, weil sie nicht in ein
fundamentalistisches Weltbild passen.


Tagesspiegel
Wenn das Paradies zur Hölle wird 

TERROR AUF BALI 
Von Robert von Rimscha

Warum Bali? Sind wir nirgends mehr sicher? Ist das die perfide Strategie
des Terrors: auch in den letzten Winkeln friedlicher Urlaubsharmonie und
tropischer Glückseligkeit Angst und Entsetzen zu säen?

Kuta, Bali: Die beiden Worte stehen nun für den grausamsten Anschlag
seit dem 11. September 2001. Doch dies zu sagen, heißt, eine Kontinuität
zu behaupten: die des radikal-islamistischen Terrors, die von Al Qaida.
Ist das zulässig? Wandert der Terror tatsächlich von den Zentren in die
Peripherie?

Einiges wissen wir. Zentren wie New York sind geschützter, die
Peripherie ist verwundbarer. Und klar ist: Wer in der Nacht von Samstag
auf Sonntag eine Disco in die Luft jagt, der lässt keinen Zweifel daran,
was er will: maximalen Schaden, so viele Tote wie möglich. Wer
gleichzeitig mehrere Sprengsätze zündet, davon einen vor dem
US-Konsulat, hat einen logistischen Apparat hinter sich. Hinzu kommt:
Die Verwundbarkeit der Peripherie produziert den Terror nicht, aber sie
erleichtert ihm sein grausiges Geschäft.

Seit einem Jahr weiß der Westen, dass das Netz Osama bin Ladens
Rückzugsräume und Zufluchtsorte sucht. Deshalb versperrt die
Bundesmarine ja den Seeweg nach Somalia und Sudan. Die USA haben
stets gewarnt, dass zwei Staaten die Voraussetzungen bieten, die der
Terror sucht: Sie sind schwach, haben ineffiziente Sicherheitsstrukturen,
leichte Ausweichmöglichkeiten - es sind die Philippinen und Indonesien.

Dass der Terror sich dieser Basis bemächtigen würde, verwundert nicht.
Der Islam des riesigen Inselreichs ist mehrheitlich moderat und liberal.
Doch bei 210 Millionen Einwohnern reicht eine kleine
fundamentalistische Minderheit, um zu morden. Was Indonesien unter
drei schwachen Übergangspräsidenten in kurzer Zeit erlebt hat, war nicht
die antiwestliche Radikalisierung des Landes. Passiert ist etwas
anderes. Die Radikalen haben sich radikalisiert, trauen sich heute den
Weg von diskreten Gebetsräumen hin zum Bombenbau. Aus Hetzrednern
wurden Terroristen. Das soziale und wirtschaftliche Elend, das sechs
Jahre Dauerkrise hinterlassen haben, bietet zusätzlichen Nährboden.
Der Staat ist viel zu labil, um Einhalt zu gebieten. Die Gesellschaft
ist fragil, und in einem Land, in dem es fast allen heute schlechter geht als
noch vor ein paar Jahren, finden sich leicht Willige, die ihren kulturellen Ekel
gegen billigen Massentourismus und all seine Exzesse - auch dafür steht Kuta -
mit Gewalt zum Ausdruck bringen. Diese Melange dürfte den Terror produziert
haben. Wie viel davon fremdgesteuert, wie viel von außen gelenkt und wie viel
von Einheimischen organisiert wurde, das können nur die Ermittler klären. Beides
dürfte eng miteinander verzahnt sein. Ob Indonesiens Behörden allerdings in der
Lage sein werden, Licht in die Strukturen zu bringen, aus denen heraus in Bali
getötet wurde?

Präsidentin Megawati jedenfalls hat den richtigen Ton nicht getroffen,
als sie in ihrer ersten Stellungnahme lächelnd einen vorbereiteten Text ablas.
Seit dem 11. September leben wir mit der Gewissheit, dass neue
Anschläge kommen können. An Warnungen hat es nicht gefehlt. An
Anschlägen auch nicht. Djerba, die Toten vom April, sind schon fast
vergessen. Der Anschlag auf den französischen Frachter vergangene
Woche ähnelt in seiner Machart auffällig der Zerstörung des US-Schiffs
"Cole". So traurig es ist: Bali beweist, dass der Kampf gegen den Terror
zwei Ebenen hat: Die eine - das sind große Schritte wie ein Feldzug
gegen Saddam Hussein. Die andere, den Einbruch des Horrors in den
Alltag, beherrschen wir nicht. Wir sind - und bleiben - verwundbar.


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