[Nasional-d] In Indonesien wurde ein deutscher Muslim festgenommen
nasional-d@polarhome.com
nasional-d@polarhome.com
Thu Oct 10 20:36:04 2002
DER SPIEGEL 40/2002 - 30. September 2002
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,216855,00.html
Terrorismus Spinne im Netz
In Indonesien wurde ein deutscher Muslim festgenommen: Er soll islamistische
Kämpfer unterstützt und von Anschlagsplänen der Qaida gewusst haben.
Das Schreiben klang wie die bittere Bilanz eines Mannes, der den Scherbenhaufen
seiner Ideale zusammenkehrt. Beim Registergericht im baden-württembergischen
Waldshut-Tiengen beklagte sich der Vorsitzende von "Menschen helfen Menschen",
es gebe weder Mitstreiter noch irgendeine Vereinstätigkeit; selbst die
Gründungsmitglieder seien "in alle Welt verstreut". Der Verein aus dem
Süddeutschen sei deshalb "mit sofortiger Wirkung aufgelöst". Das war am 23.
Januar 2000.
Mehr als zwei Jahre später, am Dienstag vorvergangener Woche, tauchte eines der
in alle Welt verstreuten Gründungsmitglieder der Truppe in Jakarta, Indonesien,
wieder auf: der aus Ägypten stammende Reda S., ein eingebürgerter Deutscher. Er
sitzt wegen Terrorverdachts in Haft. Mittlerweile wird der 42-Jährige von
Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) vernommen, weil er eine wichtige Spinne im
weltumspannenden Qaida-Netz sein soll. S., so der Vorwurf, habe Kontakt gepflegt
zum mutmaßlichen Statthalter der islamistischen Terrororganisation in Asien,
Omar al-Faruk, und er soll von Anschlagsplänen gewusst haben. Den Deutschen gilt
er als "hochinteressanter Mann", der seit Jahren enge Beziehungen zur
militanten Islamisten-Szene unterhält.
Der Fall ist brisant, denn erstmals erhärtet sich der Verdacht, dass radikale
Islamisten aus Deutschland auch im asiatischen Netzwerk von al-Qaida eine Rolle
spielen. S. wird als erster Deutscher mit Hilfe des neuen Paragrafen 129 b
verfolgt, der die Unterstützung für ausländische Terrorgruppen unter Strafe
stellt - bislang galt dies nur für inländische Organisationen.
Drei Tage nach der Festnahme besuchten ihn Vertreter der deutschen Botschaft in
seiner Zelle. Ob die Bundesregierung Indonesien allerdings um Auslieferung
bittet, ist noch unklar.
Vermutlich wären die Asiaten den Mann lieber heute als morgen los. Denn die
indonesische Regierung, in deren Land die meisten Muslime weltweit leben (174
Millionen), gibt nur ungern zu, dass sich al-Qaida den Weg nach Südostasien
gebahnt hat.
Nachdem indonesische Fahnder Faruk im Juni festgenommen und kurzerhand der CIA
übergeben hatten, schwieg der zunächst beharrlich. Doch nach dreimonatiger,
folterähnlicher Behandlung wie Schlafentzug und Isolationshaft, so berichten
US-Medien, habe er gestanden, eine große Nummer in der Truppe von Osama Bin
Laden zu sein. Weiter soll Faruk zugegeben haben, seine Mannen hätten mehrere
Anschläge auf amerikanische Botschaften in Asien geplant, auch in Jakarta.
In Faruks Unterlagen fanden die Indonesier auch den Namen des Deutschen Reda S.
Wochenlang observierte der Geheimdienst den angeblichen Touristen, ehe die
Polizei schließlich zuschlug - zunächst, wie es hieß, nur wegen Verstoßes gegen
die Einreisebestimmungen. Doch dass da mehr ist, war längst klar. Die Angabe von
S., er habe für den arabischen TV-Sender al-Dschasira gearbeitet und sich
deshalb mit al-Qaida beschäftigt, erwies sich schnell als falsch: Al-Dschasira
kennt den Deutschen nach eigenen Angaben zwar, aber als er sich als freier
Mitarbeiter andiente, habe man ihm dankend abgesagt.
Die nach der Festnahme gefundenen Dschihad-Videos, die Zivilisten bei der
Kampfausbildung zeigen, werten die Ermittler als Indiz, dass S. eng mit dem
Mudschahidin-Netzwerk verbunden ist. Schon in Deutschland soll der gelernte
technische Zeichner laut Ermittlern an Vertrieb und wohl auch Produktion von
Filmen aus der Abteilung "Agitation und Propaganda" beteiligt gewesen sein. Auch
die bei ihm sichergestellten Telefonnummern von verschiedenen Qaida-Verdächtigen
sind für die Beamten aufschlussreich.
Für die Version, S. könne eine wichtige Funktion innerhalb des Terrornetzes
haben, spricht zudem, dass sein Aktionsradius neben Deutschland auch
Südostasien, Saudi-Arabien und Bosnien umfasste. In den unterschiedlichen Teilen
der Welt war der Mann unter diversen Namen bekannt: als "Hans Kreis" oder
"Mahmoud Hagag" etwa, und wenn islamische Brüder ihn riefen, dann vorzugsweise
als "Abu Daud".
Lange Zeit lebte S. im Ausland. Mitte der neunziger Jahre zog er mit seiner
deutschen Ehefrau nach Bosnien, wo die bosnischen Muslime im Bürgerkrieg von
Arabern aus aller Welt unterstützt wurden. "Menschen helfen Menschen", wo S. als
zweiter Vorsitzender fungierte, stand damals im Verdacht, mit Lieferungen in das
Bürgerkriegsgebiet die muslimischen Mudschahidin auf dem Balkan zu unterstützen.
Jahrelang wurde der Verein deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet.
Nach dem Dayton-Abkommen, das 1995 das Ende des Bosnien-Krieges einläutete,
verebbte der Eifer der Geber aus Deutschland nach und nach. S. und seine Frau
zog es 1999 wieder nach Baden-Württemberg, wo diese heute noch lebt.
Ihr Mann aber verabschiedete sich alsbald aus Deutschland. Im Juli dieses Jahres
meldete er sich endgültig ab, neuer Wohnort: Riad, Saudi-Arabien. Indonesische
Polizisten fanden einen deutschen Personalausweis samt Führerschein und
Reisepass bei ihm, ausgestellt von der Botschaft in Saudi-Arabien.
Dass er mit deutschen Behörden nie ein Problem hatte, verdankt S. seinem stets
dezenten Vorgehen. Nur einmal hegten die Ermittler den Verdacht, S. habe mit
gestohlenen Autos gehandelt. Heute meinen die Beamten zu wissen, warum: um Geld
für den heiligen Krieg zu beschaffen - was freilich bislang niemand beweisen
kann.
© DER SPIEGEL 40/2002
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet AG