[Nasional-d] gus Budiman: "Ich bin kein Terrorhelfer"
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Thu Oct 10 20:48:01 2002
DER SPIEGEL 38/2002 - 16. September 2002
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Indonesien
"Ich bin kein Terrorhelfer"
Agus Budiman über seine neun Monate in FBI-Gewahrsam und den Vorwurf der
Kollaboration mit den Attentätern des 11. September
SPIEGEL: Herr Budiman, Sie gelten als Helfer von Mohammed Atta und seinen
Leuten. In den USA saßen Sie deswegen im Gefängnis. Wie kommt es, dass Sie
wieder auf freiem Fuß sind?
Budiman: Ich wurde am 16. August nach Jakarta abgeschoben. Die letzten Monate
waren ein einziges Desaster für mich. Es hat nie Beweise dafür gegeben, dass ich
irgendetwas mit den Anschlägen auf das World Trade Center zu tun hatte. Mein
Problem war, dass ich meine Adresse zu gutgläubig weitergegeben habe.
SPIEGEL: Das FBI sagt, sie hätten dem Hamburger Islam-Aktivisten Mohammed
Belfas, der enge Beziehungen zu Atta pflegte, eine gefälschte Adresse plus
Führerschein in den USA verschafft.
Budiman: Ich verließ Hamburg im Herbst 2000. Belfas kam drei Wochen später nach,
um Urlaub zu machen. Wir waren sehr gut befreundet damals. Er war älter und
stand mir oft mit religiösem Rat zur Seite. Jemand hatte ihm gesagt, dass man
mit einem Touristenvisum eine Identity Card beantragen kann. Ich gab ihm dann
meine alte Adresse, wo ich anfangs in den USA gewohnt hatte.
SPIEGEL: Eine falsche Adresse, mit der er gleich einen Führerschein beantragte.
Das spricht nicht für Ihre Unschuld.
Budiman: Das mit dem Führerschein erfuhr ich erst in den FBI-Verhören. Die
Wohnung lag in der Nähe des Pentagon. Die Ermittler sagten, die Entführer hätten
sich bei mir treffen wollen. Das stimmt nicht. Ich bin kein Terrorhelfer.
SPIEGEL: Immerhin halfen Sie Atta beim Umzug in die Marienstraße 54 in
Hamburg-Harburg?
Budiman: Das war Zufall und Gottes Wille. Als ich 1998 in Hamburg umzog, hatte
mir ein deutscher Muslim zugesagt, sein Auto zu leihen. Plötzlich rief er an und
sagte, ein Ägypter brauche den Wagen ebenfalls. Wir sollten gemeinsam umziehen.
Der Ägypter stellte sich als Mohammed al-Amir vor. Ein Architekt wie ich auch.
SPIEGEL: Es war Mohammed Atta, den Sie dann öfter sahen.
Budiman: Zufällig nur. Wir liefen uns ungefähr zehn- oder zwölfmal in den
Moscheen in Hamburg über den Weg. Aber ich hatte das Gefühl, der interessierte
sich nicht für uns indonesische Muslime. Die Leute um ihn lebten in einer
anderen Welt.
SPIEGEL: Ihre damalige polnische Freundin ließ sich da ganz anders im "Hamburger
Abendblatt" zitieren: Sie seien von Gebetssitzungen mit Mohammed Belfas, zu
denen ja auch Atta manchmal kam, wie nach einer Gehirnwäsche zurückgekehrt,
gewalttätig und radikalisiert.
Budiman: Die Presse hat mich zum Terroristenhelfer gemacht. Ich schwöre auf den
Koran, dass ich meine Frau - ich habe sie nach muslimischem Recht geheiratet -
nie dazu gezwungen habe, ein Kopftuch zu tragen. Auch Belfas hat in meiner
Anwesenheit nie über Deutsche geschimpft. Ich war gern in Deutschland.
SPIEGEL: Zu den USA fällt Ihnen nicht mehr so viel Gutes ein?
Budiman: Ich würde natürlich gern wieder zum Studium zurück. Aber ich denke, ich
wurde dafür bestraft, dass ich Muslim bin. Meine Menschenrechte wurden in der
Haft schwer verletzt.
SPIEGEL: Wie das?
Budiman: Bei meiner Verhaftung am 19. November 2001 wurde ich nicht über meine
Rechte informiert. Ich hatte zuerst keinen Anwalt. Mein erster Rechtsbeistand
sagte, er wolle mich nicht verteidigen, weil er Freunde im Pentagon habe. Dann
wurde ich einem Lügendetektortest ohne Beisein eines Anwalts unterzogen.
SPIEGEL: Wie waren Ihre Haftumstände?
Budiman: Das grenzte schon an Folter. Ich saß in drei verschiedenen
Haftanstalten ein. Am Schluss war die Zelle nur etwa zwei mal zwei Meter groß
und hatte ein winziges Fenster. Ich litt unter Klaustrophobie. Im Winter war es
kalt. Es wimmelte von Ungeziefer und Kakerlaken. Man musste dauernd
Insektenvertilgungsmittel sprayen.
SPIEGEL: Hatten Sie Hofgang?
Budiman: Ich durfte die Zelle nur nachts zwischen drei und fünf Uhr verlassen.
Mitten in der Nacht wurde ich aufgeweckt und zum Duschen gebracht. Das war auch
die Zeit, wo ich telefonieren durfte. Manchmal wurde ich ganze Nächte lang
verhört.
SPIEGEL: Wann erfuhren Sie, dass Sie freikommen würden?
Budiman: Ich hatte im Mai eine Erklärung unterzeichnet, dass ich keine
Schadensersatzansprüche gegen die USA für die Haft geltend mache. Es hieß, ich
käme frei. Doch es passierte nichts. Erst als US-Außenminister Colin Powell im
August Jakarta besuchte, kam um drei Uhr nachts ein Beamter in die Zelle und
sagte: "Raustreten!" Ich wurde zum Flughafen gebracht, konnte mich umziehen und
stieg ins Flugzeug. Es war ein Alptraum. Ich möchte den 11. September am
liebsten aus meinem Gedächtnis tilgen.
INTERVIEW: JÜRGEN KREMB
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